
Am ersten Abend waren wir nur zu dritt - zwei Spielerinnen und ich als SL, der dritte Spieler hatte heute leider keine Zeit, wird aber beim nächsten Mal dazusto?en. Die Mädels haben intuitiv Berufe gewählt, die perfekt zum Szenario passen - eine Spielerin schlüpft in die Haut einer Gerichtsmedizinerin, die zweite spielt einen Kommissar. Dadurch war natürlich gleich eine Verbindung zwischen den Charakteren gegeben - wir haben einfach angenommen, dass die Charaktere schon früher zusammengearbeitet haben und sich kennen. Auch die Einführung ins Szenario war somit natürlich ein Kinderspiel, denn Polizei und Gerichtsmedizin können einen Tatort ohne weiteres betreten.
Da wir vermutlich das zweite Wien-Abenteuer anhängen werden, habe ich einen NPC aus dem zweiten Abenteuer eingesetzt, um die Leiche in der Karlskirche zu finden. So ist ein Anknüpfungspunkt gegeben, wenn wir direkt im Anschluss den "Blutwalzer" spielen wollen.
Dank Psychologie (vorgegeben war lt. Buch Psychoanalyse, aber ich hab in dem Fall 5 grade sein lassen *g*) konnte die Zeugin auch befragt werden. Zusätzlich wurde ein Sandler befragt, der einen gro?en Vogel mit Hut gesehen haben will, was speziell beim Kommissar (Archetyp: einsamer Wolf, Achillesferse: dunkles Geheimnis) für Skepsis gesorgt hat, während die Gerichtsmedizinerin sofort eine Verbindung zu den mittelalterlichen Pestärzten gezogen hat.
Tatortbegutachtung und Leichenschau verliefen wie geplant, dann begannen die Nachforschungen rund um die Karlskirche, die das Pest-Thema verstärkt haben. Was beide Charaktere sehr irritiert hat, waren die Taubenzehen. Sie haben zwar im weiteren Spielverlauf rausgefunden, wer dafür verantwortlich sind, können das Ganze aber noch nicht einordnen.
Auf die Spur von Dr. Wentzler und Dr. Schmelzer kamen die beiden anders als geplant, sodass der Besuch bei beiden Medizinern vorgezogen werden musste - Dr. Schmelzer war allerdings nicht anzutreffen, das Gespräch mit ihm fand erst am nächsten Tag statt - also nach dem Fund der zweiten Leiche. In Martas Wohnhaus wurden diverse Nachbarn befragt, was uns allen gro?en Spa? gemacht hat - ich konnte ein paar NPCs einbauen und diverse Wiener Klischees ausspielen; an der Stelle hab ich ziemlich viel improvisiert, aber ich denke, es hat gut funktioniert.
Der Besuch bei Dr. Schmelzer nach dem Fund von Martas Leiche verlief ziemlich genau so, wie im Buch beschrieben - einige Fragen wurden allerdings nicht gestellt, aber ich hab die Spielerinnen einfach mal machen lassen. Ich will sie ja auch nicht zu sehr in eine Richtung drängen

Um die möglicherweise bevorstehende Bedrohung zu verdeutlichen, hab ich mich entschlossen, sowohl die im Buch angeführte Sekte als auch die alte Dame, die eine Heiligenerscheinung gehabt hat, einzubauen - mit dem Ergebnis, dass die Charaktere zunächst recherchiert haben, wer St. Rochus war (hier habe ich die Legenda Aurea als Referenz eingebaut), ehe sie die alte Dame aufgesucht haben. Der NPC - ich habe die Frau Lena Hoschek genannt - kam sehr gut an, wir sind kollektiv in Gelächter ausgebrochen, als die alte Dame dem Kommissar in breitem Wienerisch und mit zittriger Stimme erzählt hat, dass St. Rochus in ihrem Traum gesagt habe "Obacht! Lena, pass auf, do kummt a neue Pest auf uns zua." Das hat für eine Menge Gelächter gesorgt - und wir waren uns einig, dass die alte Dame der beste NPC des Abends war

Dinge, mit denen ich nicht gerechnet hatte und bei denen ich z.T. improvisieren musste:
- Bei den Ermittlungen am Karlsplatz stie?en die Charaktere auf den Kanaldeckel und beschlossen prompt, in die Kanalisation hinunterzusteigen. Gefunden haben sie allerdings nichts; der Kommissar hat beim Versuch, um eine Ecke zu lugen und die Quelle eines schmatzenden Geräusches ausfindig zum machen, seinen Hut verloren, den die Gerichtsmedizinerin dank eines geglückten Wurfs aus dem Abwasserkanal fischen konnte.
- Dr. Schmelzer wurde lediglich zu seinen Patienten befragt bzw. zu medizinischen Angelegenheiten - auch hier musste ich improvisieren, war aber kein Problem.
- In Martas Wohnhaus wurden mehrere Nachbarn befragt, um herauszufinden, ob irgendwer in letzter Zeit bei ihr gewesen war - dadurch war es notwendig, mehrere NPCs einzubauen (siehe oben).
- Die Charaktere wollten sich die Kirche zu St. Rochus im 3. Bezirk genauer ansehen und mit dem dortigen Pfarrer sprechen. Das war zwar nicht vorgesehen, hat aber auch gut geklappt.
- Nachdem ich die Sekte eingebaut hatte, wollten die Charaktere natürlich auch herausfinden, was es mit dieser auf sich hat, also habe ich kurzerhand eine Zusammenkunft der Sekte im Stadtpark eingebaut.
- Der Kommissar hat sich in einem Obdachlosenheim umgehört, um etwas über die Gestalt herauszufinden, die die Zeugin bei der Karlskirche gesehen hatte - so kamen die Charaktere auf die Spur von Augustin und beschlossen, der Legende des Bänkelsängers nachzugehen. Zudem hat der Kommissar einige Polizisten ausgeschickt, um Augustin zu finden. Die beiden ?rzte werden von einem verdeckten Ermittler beschattet.
Insgesamt verlief der erste Abend mit dem Vogelmann sehr gut - das Spiel war flüssig, die beiden Spielerinnen gingen voll in ihren Charakteren auf, haben sehr viel interagiert und mir dadurch die Möglichkeit gegeben, verschiedene NPCs einzubauen, die im Buch nicht vorgesehen waren, die aber wesentlich zur Atmosphäre beigetragen und uns einfach Spa? gemacht haben. Sprich: Wir sa?en nicht einfach rum und haben Ansagen gemacht a la "Mein Charakter macht jetzt das und das", sondern es wurden die Aktionen ausgespielt - gro?artig!
Beim nächsten Mal wird ein weiterer Spieler zu uns sto?en, der regulär zur Runde gehört, aber heute Abend keine Zeit hatte. Welchen Charakter er übernehmen wird, ist noch offen. Ich habe nach knapp vier Stunden einen Savepoint kurz vor Beginn des 5. Akts gesetzt und bin selbst schon gespannt, wie es weitergehen wird.
Was an der Runde unglaublich toll ist: Die Leute sind perfekt aufeinander eingespielt, haben Ideen, mit denen ich als SL zwar nicht rechne, mit denen ich aber gut arbeiten kann.
Auch fein: Eine Spielerin meinte, es wäre zu keinem Zeitpunkt aufgefallen, dass ich improvisiere. Im Unterschied zu unserer ersten Cthulhu-Runde, bei der wir mit 7 Leuten Chaugnar Faugns Fluch gespielt haben, ist diese Gruppe viel homogener und disziplinierter. Klar wird's hie und da off-topic, aber sobald das Spiel weitergeht, sind alle wieder voll bei der Sache.
Sie machen's mir als SL sehr leicht, eine spannende Session zu leiten, und umgekehrt bin ich total begeistert, wie gut die Interaktion funktioniert. Dass ein Charakter untätig herumsitzt und sich fadisiert, wie das bei Chaugnar Faugn leider Gottes öfter der Fall war - das gibt's nicht. Die arbeiten zusammen und hängen sich da voll rein, bringen eigene Ideen ein, haben als Spieler auch einiges an Hintergrundwissen und finden das Setting toll. Die Spielerin, bei der wir heute zu Gast waren, hatte obendrein Musik aus den 20er Jahren organisiert, was natürlich super gepasst hat. Und eine kleine Gruppe ist tausendmal besser als eine mit sieben Spielern, von denen jeder andere Interessen hat und nur zwei oder drei ihren Charakter auch wirklich ausspielen.