Matthew William Richmoore
- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -
Vor mir beginnt sich alles zu drehen. Der eisige Griff des Todes, er windet sich wieder zu meinem Herzen.
Der Dreimaster ist in einem Sturm gekentert.
Die Worte hallen nach, wieder und wieder.
Allmächtiger Vater, warum. Warum strafst du mich? Wieder und wieder? Was habe ich dir angetan, welche Sünde wiegt so schwer. Du hast mir Isabelle genommen. Robert. Und nun Isiah. Ich werde mich nie von Angesicht zu Angesicht bei ihm bedanken können.
Verzweiflung, Trauer und Wut ringen in meinem Gesicht um die Vorherrschaft.
Matthew, du wolltest diese Welt verlassen! Und jetzt zürnst du dem Herrn, weil er Isiah zu sich gerufen hat und du dich nicht bedanken konntest? Das ist deine Sünde! Dein Selbstmitleid. Der Freitod. Der Gedanke daran. Die Wege des Herrn sind unergründlich. Und ob ich auch wanderte durch ein dunkles Tal. Mag es noch so lang und dunkel sein.
Der Dreimaster ist in einem Sturm gekentert.
Dreimaster, Drei, Isabelle. Robert. Isiah. Aber du bist noch da. Und Julius. Lawrence. Drei.
Während mir still ein paar Tränen ganz unverholen die Wange hinunter laufen, von denen ich aber keine Notiz nehme, treibt meine Seele auf dem unruhigen Ozean, der meine Gefühlswelt widerspiegelt. Erinnerungen prallen wie Wellen gegen das Schiff meiner Seele. Die lachende Isabelle. Die Gesichter, welche meine Fantasie von Robert und meinem Onkel gezeichnet hat. Der Krieg. Die weiße Feder. Lawrence, als er sie, sichtlich beschämt, zurückgenommen hat.
Ich spüre Julius rechts hinter mir, an seiner angestammten Stelle stehen. Spüre seine Kraft. Auch er hat die Worte vernommen. Ich spüre seine Trauer. Seine Sorge. Um mich. Ich spüre die gleichen Gefühle bei Lawrence. Sie sorgen sich um mich. Fühlen mit mir. Teilen diesen Moment mit mir. Stehen mir zur Seite.
Felsen in der Brandung. Sichere Häfen im Sturm.
Ich spüre wie der Steuermann das schlingernde Schiff auf Kurs bringt, den Wellen trotzt. Ich sehe die schwarzen Wolken, wie sie tief und drohend über ihm hängen. Doch ich sehe auch einen hellen Riss, hinter dem die Sonne wartet. Schwach und kraftlos, vergänglich wie eine Knospe welche sich im Frühling ihren Weg durch den letzten Schnee kämpft.
Das Tal ist noch immer finster. Der Weg noch immer lang. Aber ich kann einen Pfad erahnen. Schmal, steinig und riskant, aber er ist da.
"Danke." Dieses mehr gehauchte, denn gesprochene Wort zerreißt die Stille. Die irritierten Blicke von Lawrence, ja selbst von Julius sehe ich nicht. Ich fühle meinen Onkel in diesem Moment hier im Raum. Sein letztes Geschenk. Er zeigt mir einen Ausweg. Wirft mir ein rettendes Seil zu.
Bin ich stark genug, es zu ergreifen? Mich zurück aus der Dunkelheit zu kämpfen? Die Zeit wird es zeigen.
Dann lichtet sich der Nebel, ich sehe die Wandvertäfelung deren Farbe an manchen Stellen bereits abblättert. Die Wandteppiche, verblichen und aufgrund der sparsamen Beleuchtung in den Schatten halb verborgen. Die Vorhänge, stets gereinigt aber ebenfalls ausgewaschen und alt.
Ich erblicke das Gesicht von Lawrence.
"Danke ... für Ihre Anteilnahme. Und Ihre Bemühungen mich sogleich zu unterrichten."
Ich sammle mich, wahre jetzt wieder Anstand und Etikette. Wische mir verstohlen die Tränen aus dem Gesicht, deren feuchte Spuren ich jetzt erst bemerke. Dann stehe ich auf, hole drei Gläser und von ganz hinten eine staubige Flasche edlen Whisky, dessen Inhalt nur noch für drei Gläser reicht. Der beste Tropfen im ganzen Haus. Ein Geschenk zur Verlobung, von meinem Vater.
Ich nehme aus den Augenwinkeln wahr, wie Julius diese Aufgabe übernehmen will, stets aufmerksam. Mit einer unauffälligen Geste meiner rechten Hand halte ich ihn davon ab und fülle die Gläser, trage sie zu dem kleinen Tisch bei den Sesseln. Eines schiebe ich zu Lawrence. Dann wende ich mich meinem Butler, meinem Freund, zu. "Mr. Frinton ... Julius ... mein werter Onkel hat uns auf diesen gemeinsamen Weg geführt. Daher erheben bitte auch sie ein Glas auf sein Andenken mit uns."
Ich nehme das letzte Glas, hebe es ein Stück an. "Auf Sir Isiah Mcnay, einen Retter aus großer Not. Möge der Herr seine Seele in seinen sicheren und friedlichen Hafen führen und in erheben zu seinen Engeln."
Bearbeitet von Dark_Pharaoh, 01. April 2015 - 17:12 .