Ich habe die Runde zum ersten Mal auf der AnRUFung mit allen vier SC, Sounds und Props bis zum Ende leiten können. Eine Testrunde (daher nicht offiziell angemeldet) fand am Do. Abend statt.
Tina, Christoph, Mena und unser "Purpletentacle" Frank hatten sich bereit erklärt, die Versuchskaninchen zu spielen (Danke, Leute!). Zwei weitere Runden fanden am Freitag sowie am Samstag Abend statt. An dieser Stelle natürlich ein:
ACHTUNG, SPOILER-ALARM!
Das Abenteuer hat eine besondere Struktur und ist daher nicht unbedingt dafür geeignet, das Rollenspiel kennenzulernen.
Gespielt wird im Vatikan, im Jahr 1891. Die vier Charaktere sind alle Mythosexperten, wissen von der Existenz des Grauens, kennen die Namen der Großen Alten und sind Teil einer geheimen Gruppe namens "La Fratellanza" (die Brüderschaft), die von cavalier Alessandro Beccaria gegründet wurde und von der Kirche selbst unterstützt wird (die Details werden von mir besser entwickelt, ist für das Abenteuer selbst nicht allzu relevant). Sie suchen seit zwei Jahren die Antwort auf die folgende Frage: Welcher der Großen Alten oder Mythos-Götter ist der, den die Katholische Kirche als "Luzifer" bezeichnet? Wie lautet also der echte Name des Teufels?
Die verschollenen Tagebücher, die Dante während seines Exiliums schrieb, sollten helfen, dieses Rätsel zu lösen.
Die Protagonisten:
Anne-Marie Martin in Benni:Theologin und Okkultistin, 29 Jahre alt aus Grenoble,verheiratet mit Vittorio Benni, einem reichen Mann aus S.Marino. Sie führt eine heimliche Beziehung mit ihrem Schwager Federico.
Prof. Augusto Ferrarin: Professor für mittelalterliche Literatur an der Uni Bologna, Mythosexperte. 51 Jahre alt, ist sehr bekannt für seine Publikationen. Leider ist das nicht wirklich sein Verdienst, denn er klaut sämtliche Arbeiten seinen Studenten und veröffentlicht diese unter seinem Namen.
Mr. Andrew Warrington: 35 Jahre alt, aus London. Buchrestaurator, Schatzjäger und Antiquitätsexperte, mit einer kleinen Obsession für Sammlerstücke. Witwer. Er hat während eines Streites seine Frau aus der Treppe hinuntengestossen und sie getötet.
Federico Livio Benni: Lebemann, Schriftsteller (aber ohne veröffentlichte Bücher), 31 Jahre alt. Liebt Frauen, Kultur, und ist unter anderen ein wahrer Dante-Kenner. Die "Göttliche Komödie" kennt er fast auswendig. Er ist der Liebhaber von Anne-Marie seit bereits zwei Jahren.
Das Abenteuerkonzept:
Dantes Tagebücher wird auf zwei Ebene gespielt. Die Realität spielt erst im Vatikan, dann in der Hölle der "Göttlichen Komödie" im Mai 1891 (die eigentlich nicht aus Dantes Phantasie entstanden ist, sondern eine andere Dimension darstellt). Nicht jeder Höllenkreis wird gespielt, nur die, die die SC interessieren, werden von ihnen wahrgenommen.
Die Flashbacks (wo auch die Ermittlungen stattfinden) spielen im Dezember 1890. Während die Chars immer tiefer in dieser "höllischen" Dimension stecken, gewinnen sie nach und nach Erinnerungen wieder, die sie nicht wussten, verloren zu haben. Jeder von ihnen hat aber eine Sünde begangen und wird sich deswegen mit einer der dantesken Strafe konfrontieren müssen. Die Szene, die sich in der Hölle abspielen, verschmelzen mit den Szenen in den Flashbacks. Um diese Trennung besser verständlich zu machen, arbeite ich mit rotem Licht für die Hölle und normalem Licht in den Flashbacks. Die Schwierigkeit daran ist, den SC sofort eins klarzumachen: Wenn sie die Flashbacks erleben, haben sie keine Ahnung von der Hölle (weil sie ja in die Zukunft sich abspielt). Wenn das Flashback vorbei ist und sie wieder in der Hölle sind, haben sie natürlich ihre Erinnerungen wiedergewonnen.
Als Leiterin hatte ich vor Augen, welche verschiedenen Objekte/Begegnungen auf den zwei Ebenen eine Verknüpfung schaffen, sodass sich fließende Übergänge ergeben:
Sz 1(Hölle): Zettel ---> Sz 1 (Flashback): Sturm, Diebin ---> Sz 2 (weiterhin Flashback): Hehler tot, Polizei ---> Sz 2(Hölle): Blutmeer, ertrinken, Zentauren ---> Sz 3 (Flashback): Kutsche, der Knopf, Recherche ---> Sz 3 (Hölle): Schlangen ----> Sz 4 (Flashback) Feier, Konfrontation? ---> Sz 4 (Hölle) eingeeist ---> Das Finale (Hölle): Letzter Verrat ---> Luzifer, die Entscheidung
Alle drei Gruppen auf der AnRUFung haben ziemlich schnell gut reagiert, sodass sie nach Beendigung des ersten Flashbacks alles perfekt weitergespielt haben: Die Hölle wurde als "verstörende Realität", die Erinnerungsbrocken als eigene Story wahrgenommen. Ich war echt zufrieden damit. Dabei hat die Lichtverstellung sehr geholfen. Das Problem bei Dantes ist das Railroading zumindest in der Hölle: Sie müssen da durch. Punkt. In den Flashback, trotz "festen Ermittlungen" haben die SC genug Freiraum, um zu entscheiden, wie sie an die Informationen gelangen können. Ich habe ziemlich viel machen lassen, und in heiklen Fällen nicht vergessen, dass sie den Vatikan hinter sich haben, der ihnen notfalls helfen kann, aus schwierige Situationen rauszukommen.
Das einzige, was man ein wenig steuern muss, ist, keine SC in den Flashback sterben zu lassen (was in der Regel auch nicht passieren kann, es sei denn, es passiert etwas sehr sehr Dummes). Improvisation ist hier als SL-Tugend SEHR willkommen.
Ich werde die vier Szenen (eine für jeden SC) nicht allzu präzise beschreiben, aber so, dass man eine Idee hat, worum es geht.
Bei jeder Szene wurde das passende Teil der "Göttlichen Komödie" als Soundhandout ausgesprochen. Ich bedanke mich hier bei Der Tod, FrankyD, Grannus und Blackpath für die tollen Aufnahmen.
Szene 1: Ankunft im Vatikan, Erwachen in der Hölle, ein Sturm voller Leidenschaft (Anne-Maries Strafe)
Die vier treffen sich im Vatikan nach eine Forschungspause (jede SC hat ja auch einen Job) im Mai 1891, um mit Cavalier Beccaria die letzte Spur wieder aufzunehmen. Sie haben eine Frau gefunden, die bis vor kurzer Zeit bei einer der zahlreichen Familie gearbeitet hat, die Dante damals bei sich aufgenommen hatte.
Am Ende des Abends gehen die SC ins Bett, erwachen aber in einem Wald (Hölle 1). Sie merken, dass sie sich tatsächlich in so was wie der dantesken Hölle befinden und ihr Wissen über die Göttliche Komödie sagt ihnen: Sie müssen durch. Denn "Man muss durch das Böse gehen, um die Sterne wieder zu seh'n". Sie sind so angezogen wie beim schlafen-Gehen und haben keine Waffen bei sich. Erreichen sie die Wollüstigen, wird Anne Marie weggeholt (ich beschreibe nicht die Strafe, aber sie ist natürlich präsentiert, so wie Dante sie sich vorgestellt hat) und muss gerettet werden. Am Ende dieser Szene kommt der erste Flashback (Flashback 1): Sie stehen vor einem Haus, es ist kurz vor Weihnachten 1890 und sie müssen gerade mit der Frau reden, die etwas über die Tagebuecher weiß. Als sie das erledigt haben, geht es zur nächsten Szene:
Szene 2: Ein grausiger Fund und die Flucht durch den siebten Höllenkreises Blutsumpf (Warringtons Strafe)
Die SC erreichen Bologna (weiter in Flashback) und müssen einen Hehler finden, der die Tagebücher hat (oder nicht?), finden ihn tot in seiner Hütte am Rande eines Sumpfes, können recherchieren, finden andere Hinweise über den Mord, aber hören dann Hunde und Männer, die sich nähern. Die Polizei? Fliehen wäre klug (sollten sie bleiben, ist IMPRO angesagt ). Während sie durch den Schlamm rennen, sind sie plötzlich wieder in der Hölle (Hölle 2), wo der Warrington, der Mörder, gerade nicht im Matsch, sondern im Blut fast am Ertrinken ist. Sie müssen ihn also retten (oder auch nicht? das ist ihre Entscheidung. Man kann in der Hölle sterben. In diesem Fall spielt aber der SC weiter in den Flashback , was praktisch ist ... niemand ist wirklich abgeschlossen). Sie fliehen also weiter und sind dann im Szene 3:
Szene 3: Eine "noble" Ermittlung, der kriechende Wahnsinn des achten Höllenkreises, siebter Höllengraben (Ferrarins Strafe)
Die SC sind wieder in Bologna (Flashback 2), müssen aber nach Turin, denn dieser Mörder Signor Moschetti, ein reicher Mann, Sammler und noch sonstwas lebt dort. Weitere Ermittlungen, wie sie dort ankommen, wie sie zu ihm gelangen, werden gespielt. Kurz bevor sie zu ihm gehen, ist der Flaskback wieder vorbei und sie sind wieder in der Hölle (Hölle 3), wo sich Professor Ferrarin als Dieb mit einem Haufen Schlangen konfrontiert sieht. Nach einiger Action geht es in Szene 4 weiter:
Szene 4: Die Tagebücher, der neunte Höllenkreis und ein erster Verräter (Federicos Strafe)
Flashback Nummer 3 beginnt: Sie stehen vor der Tür von Moschetti, wo die große gatsbymässige Party steigt. Er soll die Tagebücher haben. Wie die SCs an ihn gelangen, ist ziemlich freigestellt: Alle drei Gruppen haben drei verschiedene Möglichkeiten gefunden, um an ihn ranzukommen (Erpressung inklusive!). Es lässt sich feststellen: Ja, er hat die Tagebücher! Am Ende dieser Szene, kurz bevor die SC das Büchlein in die Hände bekommen, landen sie wieder in der Hölle (Hölle 4) - Federico, der seinen eigenen Bruder verrät, steht mit dem Kopf im Eis! Und fast ertrinkt er! Also ist wieder Action angesagt. Schlussendlich haben die SC die Gewissheit: Sie hatten schon die Tagebücher gefunden. Und das am Weihnachten 1890. Wieso waren sie dann im Mai 1891 im Vatikan und haben Schritte besprochen, die sie schon längst erlebt haben? Hier haben die Chars Zeit, richtig miteinander zu spekulieren (und sich gegenseitig über ihre Backgrounds zu befragen). Wenn sie sich kaputt spekuliert haben...
Szene 5: Das Finale, der letze Verrat, Luzifer, ein Rätsel und vier Entscheidungen (Cavalier Beccarias Strafe)
Sie sind wieder in einem Flashback (Flashback 4) - dem letzten. Sie sitzen bei Beccaria im Vatikan. Es ist eiskalt, denn es ist Winter, aber mitten in der Nacht. Der Kamin ist aus. Die Tagebücher stehen da, es ist klar: Dante hat nicht die "Göttliche Komödie" erfunden, sondern ist dank einer Droge in eine andere Dimension gereist. Sie sollten es doch bald auch machen! Aber die Droge ist heftig, und die Reise wird gefährlich. Dante ratet davon ab und zitiert das Ende der Hölle, die Beschreibung des Teufels selbst:
Wie ich da starr und sprachlos ward vor Grauen,
Darüber schweigt, o Leser, mein Bericht,
Denn keiner Sprache läßt sich dies vertrauen.
Nicht starb ich hier, auch lebend blieb ich nicht;
Nun denke, was dem Zustand dessen gleiche,
Dem Tod und Leben allzugleich gebricht.
Sollten sich die SC weigern, ihr Leben zu riskieren, wird Beccaria ihre Erinnerungen löschen, bis die Droge fertig ist (was ja im Mai passiert ist) und sie ihnen dann heimlich geben. Sollten die vier einverstanden sein (mir ist bisher nie passiert, dass alle vier das wollten), wird er trotzdem ihre Erinnerungen löschen, da er Angst hat, sie könnten diese Informationen weitergeben. So oder so, verrät er die Tischgenossen, und man wird ihn in der Hölle (Hölle 5) eingeeist, mit eingefrorenen Augen wiedersehen. Das Tor steht da. Sie müssen durch. Der Teufel wartet auf den anderen Seite. Werden sie ihn anschauen? Dante warnt sie, es nicht zu machen. Er lief an ihm vorbei.
Nicht starb ich hier, auch lebend blieb ich nicht;
Nun denke, was dem Zustand dessen gleiche,
Dem Tod und Leben allzugleich gebricht.
Der Teufel kann Meschen versteinern. Und ist in einem eisigen Saal eingesperrt. Ein Mythoswurf verrät also den Namen des Teufels: Er ist Ghatanothoa. Es ist jetzt jedem SC überlassen, ob er den Teufel anschauen und sterben oder an ihm vobeilaufen möchte.
Sollten sie vorbeigehen, werden sie in einer Schwärze hineinfallen, bis sie gegen was Hartes schlagen. Ein Boden, Kacheln. Mit Sternenmuster. Das ist der Boden Im Vatikan. Manchmal soll man gar nicht hochschauen, um die Sterne wiedersehen zu können. Das Abenteuer ist vorbei, aber eventuell offen für interessante Nachspiele. Was werden die Überlebenden mit den Informationen machen? Wird die Kirche sie jagen? Viele Fragen.
Alle drei Gruppen haben mir sofort viel Feedback gegeben, manchen davon habe ich gleich bei der nächsten Runde eingebaut, z. B. viel mehr Zeit am Anfang für die Spieler, sich in den Chars einzuspielen oder Tipps, wie ich mit dem Sound besser umgehen könnte. Andere Ideen fand ich gut, aber ziemlich kompliziert umzusetzen, und ich finde, das Abenteuer ist schon so genug Mindfuck.
Die Spieler waren am Ende ziemlich angestrengt, es kostet Kraft, die zwei Ebenen richtig zu spielen, und das ähnelt ein wenig einem Theaterstück, wo man sich keine Pause erlauben kann. Ein fünf-minütige Pause habe ich trotzdem bei jeder Runde eingebaut.
Jede Gruppe hat mir unterschiedliche Charaktere abgeliefert, da ich den Background ziemlich spärlich bestückt habe. Das heißt, die Gründe waren da, aber nicht, wie der Charakter gespielt werden sollen. Es war bespielsweise großartig, drei verschiedene Prof. Ferrarin zu erleben.
Der erste war ein hochnäsiger Schnösel, der die Mittelschicht verachtet, der zweite ein Widerling, der seine Studenten genötigt hat, um an Informationen zu gelangen, der dritte ein Familienmensch, der immer am forschen war, und das auch während die anderen sich einen Abend in einer Opiumhöhle gegönnt haben.
Auf Spieler-Beiträge würde ich mich freuen, vor allem, weil ihr manches besser erklären könnt als ich, und die Sicht ist ja anders als meine gewesen. Es gab sehr viele wundervolle Szenen, die mir in Erinnerung bleiben werden. Für mich war alles sehr positiv, und ich werde jetzt Zeit haben, das Abenteuer zu verfeinern. Bei nächster Gelegenheit werde ich es wieder leiten. Hoffentlich bald.
Ich bedanke mich bei jedem Spieler auf der AnRUFung. Ihr wart großartig, und ich hätte auch mit euch gerne direkt die Nachgeschichte weitergespielt! Nochmal vielen vielen Dank!
Ich bedanke mich auch außerordentlich bei Blackdiablo, der nicht nur diesen Beitrag korrigiert hat, sondern auch beim Abenteuer unglaubliches Brainstorming geleistet hat und mich immer angespornt hat, weiterzuschreiben. Die Skype-Sessions, die er ertragen sollte, waren schon heftig!
Bearbeitet von Nyre, 14. Juni 2015 - 18:17 .