Hallo,
ich habe nun vor Kurzem die Lektüre beider Grundregelwerke beendet. Dabei beschlich mich immer mehr das Gefühl, bei der Edition 7 abseits der technischen Regeländerungen Cthulhu mit einem neuen Gesicht vor mir liegen zu haben. Ich habe das in diesem Forum an falscher Stelle bereits begonnen zu diskutieren, bin jedoch völlig zu recht am Topic gescheitert . Nichts desto trotz möchte ich mich gerne über ein paar Gedanken austauschen, wofür ich einige Threads eröffnen werde.
"Spielerhoheit"
In vielen modernen Rollenspielen - wobei FATE wohl nur eines der populärsten Beispiele ist - gehört es inzwischen zum guten Ton, den Spielern gehörige Mitgestaltungsrechte über die Welt und das Spiel an die Hand zu geben. So definieren sich die Fertigkeiten bei 13th Age beispielsweise darüber, welchen HIntergrund der Spieler seinem Charakter gibt. Sagt er zum Beispiel "mein SC war mal erster Wächter der Stammeshäuptlinge der östlichen Reiterscharen" so hat er ganz nebenbei eine ganze Kultur erschaffen, die in die Spielwelt Einzug hält: im Osten gibt es also Reiterscharen, die in Stämmen organisiert sind und deren Häuptlinge von persönlichen Leibwächtern geschützt werden. So erschaffen die Spieler - gemeinsam mit dem Spielleiter, der natürlich ein Veto hat - gemeinsam die Welt und ihre Charaktere.
Auch in das neue Cthulhu-Regelwerk haben ganz ähnliche Aspekte Einzug gehalten. Der Spieler erschafft durch seinen Hintergrund - insbesondere "Wichtige Personen", "Bedeutsame Orte" und "Gehüteter Besitz" essentielle Aspekte der Spielwelt mit, die dann während des Spiels vom Spielleiter "getriggert" werden können und sogar sollen. Oder die neuen "Organisationen", die darüber hinaus noch andere Personen und sogar Vereinigungen in die Spielwelt bringen! Doch auch abseits der Erschaffung finden sich einige Beispiele, die den Spielern deutlich mehr Freiheiten geben als in vorhergegangenen Editionen: bei einer erfolgreichen Probe beschreibt der Spieler bis zu einem gewissen Grad, was geschieht (und schafft nebenbei womöglich neue Fakten), durch den Einsatz von persönlichen Glückspunkten (was wohl eine Prise pulpiges Savage World unterbringt...) und/oder forcierte Proben kann der Verlauf der Handlung geändert werden...
Nun meine Frage: ich bin - abseits aller Praxistests und nicht zuletzt dank dem Forum im Feedback - der festen Überzeugung, dass diese Regeln hervorragend funktionieren. Technisch gesehen sind die Änderungen ja auch eher marginal. Aber: nimmt dieses Abgeben von Spielweltanteilen an die Spieler cthuloide Atmosphäre aus dem Spiel? Da Cthulhu ein sehr altes Rollenspiel ist, war die Aufteilung bisher ja auch sehr klassisch: der SL bestimmt "die Welt", die Spieler beschreiben "was sie tun". Gerade dadurch, dass die Spieler wenig Einfluß auf die Welt um sie herum hatten, hatte der SL alle Möglichkeiten in der Hand, sie ganz nach Lovecrafts Gusto niederzureißen. Geht nun mit diesen modernen Einflüßen diese Möglichkeit zurück? Oder fördert es sogar die cthuloide Atmosphäre, wenn Spieler "ihr Glück verrinnen" fühlen oder sich gerade DIE Aspekte der Welt verändern, die sie selbst bestimmt haben?
Bearbeitet von Seanchui, 15. Dezember 2015 - 23:33 .