Ich habe auf der Platte noch meinen eingereichten Text.
Gibt Abweichungen zur veröffentlicheten Version, kann mich aber nicht mehr erinnern, ob ich das geändert habe oder die Redaktion.
Die Erwähnung des "der Ghoul" entspringt einer Querverbindung zum "Sänger von Dhol", leider habe ich das mir damals vorschwebende verbindende Szenario nie geschrieben.
Text von #4. Brief an Gottlieb Basel, eine krakelige Handschrift:
Lieber Freund,
mit Erschrecken und Entsetzen habe ich Deinen letzten Brief gelesen. Fürwahr, Du tatest gut daran, mir von diesen Dingen zu berichten. Ich bin gezwungen, eines meiner Gelübde zu brechen, aber ich bin mir der Vergebung des Herrn gewiß, wenn ich Dir nun von den geheimen Kirchenarchiven im Vatikan berichte. Die zahllosen heidnischen Schriftstücke dort sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden, doch um die Wege des Versuchers begreifen und ihnen begegnen zu können, wurde es einer kleinen Gruppe ausgewählter Schüler, zu denen auch ich gehörte, gestattet, die Dokumente der vorchristlichen Kulturen zu studieren. Du wirst das Entsetzen begreifen, daß mich überkam, als ich feststellte, daß Dein Bericht grausige Parallelen zu dem furchtbarsten Werk, welches ich in meiner Jugend dort fand, aufweist.
Die Geschichte des Buches ist so beunruhigend, daß ich sie Dir an einer Warnung statt berichte. Das Werk hat keinen mir bekannten Namen, obgleich unvollständige Abschriften unter verschiedenen Namen existieren sollen.
Es heißt, das Werk wäre von einem Mönch in einem Kloster, dessen Name aufgrund gewisser Ereignisse dort für immer ausgetilgt wurde, in das Lateinische übersetzt worden. Das Original soll in einer uralten Sprache geschrieben sein, und der Legende nach durfte es niemals dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Andere Quellen behaupten, etwas habe den Mönch nachts besucht und ihm seine Verse diktiert. Der Mönch war nicht der erste, der dieses abscheuliche Buch übersetzte, aber seine Abschrift soll die vollständigste sein, da das Wissen um die blasphemischen Dinge, die dort berichtet werden, den Leser unweigerlich in den Wahnsinn treibt. Dennoch gelang es dem Mann, der in manchen Schriftstücken als "der Gul" oder "der Ghoul" bezeichnet wird, etwa die Hälfte des Textes zu übertragen, bevor er etwas beging, weswegen man sich seiner nicht erinnern soll. Mitbrüder flüstern von den leeren Passagen, wo der Mönch es nicht wagte, alles zu übertragen und dem Wahnsinn, der in den letzten Seiten seines Werkes am Text und in den Randbemerkungen deutlich wird. Doch nun zu Deiner Vermutung und den Parallelen: Alles was Du mir schriebst, las ich schon in einem entsetzlichen Kapitel des heliophoben Manuskripts. All diese Gedanken von Zeremonien, für die die Erdposition zur Sonne und die Sternenkonstellation wichtig sind, all diese Riten, für die der Autor scheinbar gewisse anatomische Anomalien voraussetzt, die kein menschlicher Körperbau gestattet, stimmen mit den von Dir beschriebenen überein!
Manche von uns glauben, daß Bruchstücke dieser archaischen Riten in verzerrter Form in beinahe allen okkulten Schriftstücken wiederzufinden sind, so daß man von einem Urbuch des geheimen Wissens sprechen könnte. Ein unbekannter Schreiber unter Tarquinius Superbus behauptet zum Beispiel, daß die ersten drei der Libri Sibyllini Wissen aus einem "lichtscheuen" Buch enthielten und daß die Cumä in Campanien sie deshalb zerstörte.
Außer unserer Freundschaft hatte ich noch einen anderen Grund, Dich in diese Geheimnisse einzuweihen. Denn falls Du, wie ich vermute, Dein Wissen um solche Mythen aus einem Exemplar dieses Buches erhalten hast, so sollst Du Dir seiner Bedeutsamkeit für uns bewußt sein. Achte auf die Andeutungen über die "Flucht" oder "Verbannung" eines Volkes. Sollten diese Hinweise auftauchen, so zögere nicht, Deine Quelle zu uns zu senden. Denn verderbte Menschen verfallen leicht diesen Irrglauben, und könnten sich selbst wie andere, im Glauben an die Realität des Geschilderten, zu Schaden bringen.
H.B.
PS: Im Zusammenhang mit Deinem Brief entsinne ich mich eines Fragments, das Bischof Remidues von Chur zugeschrieben wird, welches von dem Prozeß gegen einen ungewöhnlichen "Hexer" berichtet. Der Text gelangte wohl aufgrund einiger Unklarheiten nicht in das Gesetzbuch "Lex Remidii", unter anderem auch wegen des eigentümlichen und als Fallbeispiel ungeeigneten Geständnisses des Angeklagten. Darin behauptet der Mann, dessen Anklage mit dem Wort "Wechselbalg" verbunden ist, einem "vertriebenen Volk von den Sternen zu dienen", welches "die Körper von Mensch und Tier zur Wohnung nähme" und deren "Seelen ewiger Verdammnis anheimfallen" lasse. Auffällig ist, daß der Angeklagte keiner der üblichen Vorstellungen von Teufeln und Dämonen anhängt, sondern für derlei Dinge nur Verachtung zeigt, denn er "besäße bereits das wahre Ewige Leben" und sei in der "Magie unterwiesen worden," um seinem Herrn dienen zu können. Gib auf dich acht.