Die Grundidee von dynamischen Edgepools finde ich sehr erfrischend. Ich habe es noch nicht gespielt, aber kann mir das gut vorstellen. Selbst hatte ich nie Probleme irgendwelche Würfelpoolmodifikatoren mit einzubeziehen, aber vielleicht war es auch einfach so, dass die meisten Kämpfe bei normaler Sicht und innerhalb der Standardreichweite stattgefunden haben einfach um den ewigen Modifikatoren aus dem Weg zu gehen. Das Edge System motiviert dazu kurz zu prüfen, ob es irgendwelche Unterschiede gibt und pauschalisiert das so weit, das man hier und da einfach ein paar Punkte Edge verteilt.
Für Vor/Nachteile und einen Teil der Cyberware oder auch Waffenmodifikationen ist das eine coole Idee. Dort wo Egde aber auf Kernmechaniken der Regeln trifft wirkt einiges einfach schräg. Man könnte auch sagen, Regeln die in vorigen Editionen gut funktioniert haben werden der Edge Mechanik irgendwie geopfert.
Das deutlichste Beispiel ist denke ich der Umgang mit Panzerung. Der junge unerfahrene Konzerngardist, der in eine Ganzkörperpanzerung mit Helm gesteckt wurde, ist kurz verblüfft über die Walther Palm Pistol, die der Shadowruner vor ihm aus dem Ärmel schüttelt. Shaka, denkt er sich, Du hast absolut keine Chance gegen meine Rüstung (einen Punkt Edge zu gewinnen), bereut den Gedanken aber sofort, als er blutend am Boden liegt. Gegen den Schaden einer Salve mit explosiv Munition von 5K + Nettoerfolge ist er mit Konstitution 3 chancenlos. Kurz vor der Ohnmacht beschleicht ihn irgendwie das Gefühl auf einen Werbetrick reingefallen zu sein.
Also die Entscheidung Panzerung nur in den Verteidigungswert einzurechnen und beim Schadenswiderstand außen vor zu lassen, kann ich absolut nicht nachvollziehen.
Als Konsequenz wurden die Schadenscodes deutlich reduziert und es ist ein recht gleichförmiger Waffenbrei entstanden. Die Waffe ist jetzt weitgehend egal (Hauptsache Salvenmodus), Nettoerfolge sind das was zählt.
Und als weitere Konsequenz hat dadurch Shadowrun diese prickelnde Tödlichkeit verloren. Wenn ein einfacher Cop dem Troll seine Colt Manhunter auf die Brust setzt und "Flossen hoch" sagt, kommt der Troll ja aus dem Lachen gar nicht mehr raus.
Dann habe wir da noch die Reichweitentabellen für Waffen. Da suche ich jetzt den Anriffwert für die richtige Reichweite aus der Tabelle meiner Waffe raus, modifiziere den entsprechend der Munition und dem Feuermodus und vergleiche den dann mit der Konstistution plus Panzerungswert des Ziels um, ja richtig eigentlich nur einen Punkt Edge zu verteilen. Hmm
Ganz pfiffige Designer haben dann Waffen in extremen Reichweiten einen Angriffwert von 1 gegeben, krass. Ein Panther Sturmkanone im Nahkampf zum Beispiel. Da bekommt jetzt der Verteidiger mit Sicherheit einen Punkt Edge, wenn er aus einem Meter mit einer Sturmkanone beschossen wir, schade dass er den nicht mehr an seinem Lebensabend genießen kann.
Mit Würfelpoolmodifikatoren wäre so eine Reichweiten Tabelle echt sinnvoll (-7 Würfel für die Panther auf sehr nah oder das AK97 auf extrem weit), zusammen mit der Edge Mechanik ist sie einfach nur fade.
Bisher habe ich nur Regeln gelesen, aber nicht gespielt. Mein Fazit ist bisher: Edge als zusätzliche Mechanismus gern, aber in der Kernmechnik bitte nicht.
Kann bitte jemand aus der Spielerfahrung berichten wie sich das jetzt spielt? Im Spiel selbst sind die meisten Situation nicht so extrem wie irgendwie konstruierte Beispiele. Wie oben bereits gesagt, mit den vielen Würfelpoolmodifikatoren gab es nie ein Problem, da sie in den meisten Situationen gar nicht angewendet wurden und die Komplexität war dadurch im Spiel praktisch nicht spürbar. Dafür haben sie aber extreme Situation auch viel besser abgebildet, als das Edge System das kann.
Grüße
Gwaylare